Vorstandsvorsitzender Max Conze spricht im Interview über die Stärken von ProSiebenSat.1, die Prioritäten in den drei Geschäftsbereichen und mit welcher Vision er das Unternehmen zu nachhaltigem Wachstum führen möchte.
Max, seit Juni 2018 bist du CEO bei ProSiebenSat.1. Wie ist Dein Blick auf das Unternehmen – welche Stärken und Herausforderungen siehst Du?
Zuallererst begeistert mich, dass ProSiebenSat.1 eine Kombination aus starken Entertainment-Marken und ebenso starken E-Commerce-Plattformen bietet. Das ist ziemlich einzigartig. Unsere Marken und Produkte kennt im deutschsprachigen Raum fast jeder – ob es unsere Sender, Stars, Programme oder NuCom-Firmen sind – und Menschen verbinden mit ihnen Emotionen: Entertainment, das sie begeistert. Produkte und Services, die sie brauchen. Und ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft aus diesem Zusammenspiel noch sehr viel Wert für ProSiebenSat.1 schöpfen können. Unsere größte Herausforderung ist in dieser Zeit der gewaltige Umbruch in der Medienbranche, also die rasante digitale Transformation, die uns nicht nur mit neuen Geschäftsmodellen, sondern auch mit neuen Konkurrenten konfrontiert. Ich sehe das jedoch nicht als Bedrohung, sondern als fantastische Chance, ProSiebenSat.1 zu einem absolut digitalen und diversifizierten Konzern zu machen, der weiter nachhaltig wächst.
Ihr als Führungsteam habt deshalb Ende 2018 die Drei-Säulen-Strategie weiter geschärft. Mit welcher Vision wollt Ihr das Unternehmen in die Zukunft führen?
Wir stellen den Konsumenten bei allem, was wir tun, in den Mittelpunkt. Unser Credo ist es, sich konsequent bei jeder Entscheidung in den Kunden hinein zu versetzen. Für uns bedeutet das auf der einen Seite, dass wir unsere Zuschauer mit Inhalten begeistern wollen – und zwar auf jeder Plattform, über die sie unser Programm sehen. Dafür wollen wir auch viel besser als zuvor die kreative Stärke unseres eigenen Produktionsnetzwerks Red Arrow Studios nutzen. Auf der anderen Seite haben wir unser Commerce-Geschäft auf vier große Verbraucherbedürfnisse fokussiert – so kann die NuCom Group noch zielgerichteter wachsen. Auf diese Weise wollen wir unseren Umsatz mittelfristig von 4 auf 6 Mrd Euro und das adjusted EBITDA von 1 auf 1,5 Mrd Euro steigern – dabei soll das Digitalgeschäft dann mindestens die Hälfte der Umsätze ausmachen. Wir wollen uns damit auch unabhängiger von Werbung machen. Dafür setzen wir auf dynamisch wachsende Umsätze bei Red Arrow Studios, der NuCom Group und dem Nicht-Werbegeschäft wie der Distribution und dem AdTech-Bereich.
ProSiebenSat.1 bietet eine einzigartige Kombination aus starken Entertainment-Marken und ebenso starken E-Commerce-Plattformen.
Welche Schwerpunkte setzt ProSiebenSat.1 im Entertainment-Geschäft, um sich gegen globale Anbieter behaupten zu können?
Mir ist wichtig, dass jeder versteht, welch großartiges Geschäft Entertainment weiterhin ist und welch enormes Potenzial es hat. Der Videomarkt, also die Summe aller Bewegtbildinhalte, die auf allen linearen und digitalen Plattformen konsumiert werden, wächst. Um von dieser Entwicklung zu profitieren, investieren wir in ein modernes Entertainment-Geschäft und setzen auf lokale und relevante Inhalte, wozu auch Live-Shows, News und Sport zählen. Hier gehören uns auch die Rechte, so dass wir die Inhalte linear und digital bestmöglich auswerten können. Wir können diese auf unseren eigenen Webseiten, Apps und denen Dritter verbreiten und digital mit exklusiven Zusatzinhalten verlängern. Dass diese Strategie richtig ist, sieht man an den steigenden TV-Zuschauermarktanteilen und Video Views – unsere Inhalte begeistern über alle Kanäle hinweg. Welch große Bedeutung dieses Thema für unseren Konzern hat, sieht man auch daran, mit welcher Energie wir gerade alle an der Markteinführung unserer neuen Streaming-Plattform zusammen mit Discovery Communications arbeiten. Wir kombinieren hier Discoverys und unsere Kanäle, unseren SVoD-Service maxdome und den Discovery Eurosport Player zu einem neuen Produkt – eine Aggregator-Plattform, auf der deutsche Verbraucher von Nachrichten bis hin zu großartigen Shows und Sport aus einer Hand Entertainment genießen können. Wir sind außerdem explizit offen für weitere Content-Partner und haben dafür u.a. schon das ZDF gewinnen können. Ich bin überzeugt davon, dass diese Plattform den deutschen Entertainment-Markt verändern wird. Dafür muss das Nutzererlebnis in jeder Hinsicht stimmen – wir bieten Usability verbunden mit überzeugender Technologie und einzigartigen Inhalten. Das ist unsere absolute Priorität für 2019.
Wir wollen ProSiebenSat.1 zu einem absolut digitalen und diversifizierten Konzern entwickeln.
Die linearen Reichweiten nehmen ab und der TV-Werbemarkt wird immer schwerer vorhersehbar. Wie wollt Ihr in diesem Bereich trotzdem künftig Wachstum generieren?
Im Moment können wir die Gesamtreichweite über alle Geräte noch nicht komplett erfassen, im ersten Halbjahr 2019 soll es aber soweit sein. Hierfür arbeiten wir auch sehr eng mit der AGF zusammen. Wenn die Gesamtreichweite, d.h. wie viele Menschen tatsächlich unser Programm über alle Kanäle konsumieren, messbar ist, wird das ein wichtiger Meilenstein für unsere Industrie. Denn dann können wir die Gesamtreichweite auch für unsere Werbekunden vermarktbar machen. Schließlich wollen und brauchen diese nach wie vor qualitativ hochwertige Inhalte und maximale Reichweite, um ihre Botschaften zu verbreiten. Wie stark unsere Marken bereits digital funktionieren, zeigt „Germany’s next Topmodel by Heidi Klum“, das jeden Tag über alle digitalen Kanäle durchschnittlich über 1,5 Mio Video Views generiert. Der nächste Schritt ist dann, unsere Reichweite intelligent zu machen. Das bedeutet, dass wir Werbeprodukte entwickeln, mit denen wir unseren Kunden zusätzlich adressierbare Reichweiten anbieten. Auf diese Weise können sie Werbung selektiv zum Beispiel nach soziodemographischen Kriterien ausspielen und Kunden zielgerichteter erreichen. Wir bringen 2019 weitere „Addressable TV-Produkte“ auf den Markt und sehen hier großes Potenzial, zusätzlich zum traditionellen Werbegeschäft Umsätze für uns zu generieren. Mittelfristig sollen 25 Prozent unseres Umsatzes im Entertainment-Geschäft aus diesem „Smart-Reach“-Geschäft kommen.
Das Commerce-Geschäft mit der NuCom Group ist der größte Wachstumstreiber für ProSiebenSat.1. Wie wollt Ihr dieses Geschäft nachhaltig weiterentwickeln?
Der Umsatz der NuCom Group ist 2018 zweistellig gewachsen und wir wollen dieses Tempo auch 2019 halten. Wir arbeiten deshalb mit unserem Partner General Atlantic intensiv daran, die einzelnen Commerce-Unternehmen operativ so weiterzuentwickeln, dass sie noch besser nachhaltig organisch wachsen können. Hier forcieren wir auch zunehmend die Synergien mit dem Entertainment-Bereich. Das bedeutet, die NuCom Group profitiert von der Brand-Power, dem Marketing-Know-how und auch den neuen smarten Werbeprodukten, während Entertainment vom Kundenfokus der NuCom lernt sowie die dort generierten Daten für die Werbetechnologien nutzbar machen kann. Gleichzeitig wollen wir das Commerce-Portfolio durch zielgerichtete Akquisitionen stärken und schlagkräftig ausbauen. Gut gelungen ist das zuletzt mit dem Erwerb des US-Partnervermittlungsanbieters eharmony, der perfekt zu unserer PARSHIP Elite Group passt. Auf dieser Grundlage wird die NuCom Group bereits 2019 etwa 1 Mrd Euro Umsatz erwirtschaften. Das ist ein wahnsinniger Erfolg, vor allem da es dieses Geschäft gerade erst seit fünf Jahren in dieser Zusammenstellung gibt.
Ich sehe die rasante digitale Transformation in der Medienbranche als große Chance.
Ab 1. April 2019 wird ein neues Executive Board sowie eine neue Holding-Struktur bei ProSiebenSat.1 eingeführt. Welche Vorteile siehst Du hier für die Entwicklung des Konzerns?
Ich bin davon überzeugt, dass wir dieses Unternehmen am erfolgreichsten mit einem breit aufgestellten Executive Board in die Zukunft führen können. Daher haben wir ab April eine effiziente Holding-Struktur und gleichzeitig werden die drei Säulen Entertainment, Red Arrow Studios und NuCom Group jeweils von zwei Co-CEOs geführt. Auf diese Weise haben wir den Konzern deutlich agiler aufgestellt, geben dem operativen Geschäft mehr Eigenständigkeit und können unsere Transformation schneller vorantreiben. Außerdem setzen wir in dieser Aufstellung die Drei-Säulen-Struktur noch konsequenter und klarer um. Das neue Executive Board wird neben den drei Holding-Vorständen (CEO, CFO und Deputy CEO) auch alle sechs Co-CEOs beinhalten sowie ausgewählte Stabstellenleiter (siehe Executive Board 2019). Ich bin mir sicher, dass wir mit dieser Aufstellung eine hervorragende Voraussetzung für unsere künftige Entwicklung geschaffen haben, in der wir 2019 die vor uns liegenden Herausforderungen zielgerichteter und effektiver angehen können.